Mitte der 90er dominierte eine handvoll Einheimischer Kletterer das Geschehen an der Waidringer Steinplatte. Klaus Harasser, Hubi Fink und Roman Kernmaier waren die wohl treibendsten Kräfte und bohrten unermüdlich eine Traumlinie nach der anderen ein. „Alpengeier“ 10-, geht auf die Kappe des genialen Kletterers und noch genialeren Menschen Hubi Fink, der uns leider viel zu früh verlassen musste. „Piefke Saga“ 9+/10- ein drei Seillängen langer Traum aus grauem Riffkalk, eingebohrt vom legendären Klaus Harasser, auch bekannt als „Meister Eder“. Ich stand ihm einige Sommer als „Pumukel“ bei diversen Tischlerarbeiten zur Seite, „Oiwei wenns zum buggln weascht, mochst di unsichtbar Pumukl“ 🙂 war ein Insider Joke aus dieser schönen Zeit. Und zu gut der letzt Roman Kernmaier, der zum Glück noch voller Energie im Leben steht. Ihm gelang eine geniale Linie im Bereich der sogenannten Westverschneidung zusammen mit Klaus. Die ersten beiden Seillängen im Grad 8+, stellten für die beiden kein großes Problem dar. Die dritte Seillänge bewerteten sie mit 9+, A0. Bei dem ein oder andern Anlass bei dem das ein oder andere Bier ging, erzählte mir Roman immer wieder von der Tour. Erst 2018 stiegen Simon Berger und ich das erste mal ein. Die ersten beiden Traumlängen gelangen uns auf Anhieb. Die 3.Seillänge jedoch kam uns wirklich sehr hart vor. Es war relativ warm, wir konnten die Züge mit „Ach und Krach“ machen, uns war aber klar „Fuck, des wead schwar!“.

2019 verbrachte Simon einen Tag mit seinem Bruder Clemi in der Tour. Ich nutzte einen kühlen Frühlingstag zusammen mit dem starken Innsbrucker Much Mayr. Die Züge fühlten sich schon sehr viel machbarer an, aber irgendwie schafften wir es jedoch, nichtmehr zurück zu kommen.

Bis heuer am 31.Oktober 2020. Simon und ich spazierten zum Einstieg. Fast alles war naß. Nur nicht die „Mission..“. Na dann, wissen wir wenigstens, was wir heute versuchen wollen. Die ersten beiden Längen waren das perfekte Aufwärmprogramm und wieder waren wir beide „geflasht“ von der Schönheit und der Felsqualität. Simon boulderte in der 3.Länge, jedoch nicht bis ganz rauf. Dann boulderte ich durch, es fühlte sich absolut machbar an… Ich kletterte noch im Schnelldurchlauf bis zum Stand, checkte mir die wichtigsten Sequenzen der technischen Kletterei nur schnell und schlampig aus. Dann war Simon an der Reihe, scheiterte knapp im Boulder. Kurze Pause. Mit vollster „Simsator“ Entschlossenheit und ohne Fakeln zog Simon den Boulder durch, dass es nur so raschelte im Latschenwald. Mega Geil!!!! Aber den Ausstieg im Bereich 9+ hatte er sich nicht angeschaut. Ich sagte ihm so gut ich konnte alles an, zum Glück habe ich auch einiges markiert. Es war ein Krimi, doch der „Simsator“ hat zugeschlagen und konnte mit einem lauten Freudenschrei den Stand einhängen. Absolut geile Vorstellung. Aber jetzt da er schon durchgestiegen ist, wollte ich es natürlich auch nochmal wissen. Ich scheiterte arschknapp am letzten Zug im Boulder. Wieder runter. Pause. Erneut sehr knapper Versuch. Das gibts ja nicht. Erneut steige ich ein, die Haut wird immer weniger auch die Kraft wird nicht mehr. Ich stelle die linke Leiste auf bis „zum geht nicht mehr“ strecke mich und erreiche die rettende Leiste und 1cm….NICHT!!!! FUUUCK, ich trete wieder den Abflug an. Das gibts ja echt nicht. Jetzt wird´s spannend ob sich das noch ausgeht. Ich mache eine letzte längere Pause.

Simon motiviert und beruhigt mich zugleich. Voll entschlossen einfach nicht loszulassen, steige ich ein. Das Abendlicht hat seine höchste Intensität erreicht und färbt die Landschaft in ein wunderschönes, unwirklich, warmes Licht. Diesmal bleibe ich tatsächlich noch an der Rettungsleiste hängen. Die Unterarme fühlen sich bereits leer an, doch der Rest verlangt äußerste Aufmerksamkeit. Ich klettere Verkrampft, will es einfach nicht mehr verschenken und rette mich über die wackeligen und technisch pikanten Stellen. Die letzten Züge zum erlösenden Stand haben es nochmal in sich. Links das kleine Seitloch dann weit rechts auf die abschüssige Leiste, ich ziehe hin und bin plötzlich um 20cm zu kurz, OH, OH, jetzt nur nicht die Nerven schmeissen, schnell platziere ich meine Füße um, erreich den Griff stehe aber nicht optimal um den Fuß über den kleinen Bauch zu stellen, ich flie…. NEIN, ich brülle und stelle mit allen Kraftreserven die ich noch habe den Fuß, ich zittere, schnappe unter erneutem Brüllen zur Messerleiste (und wenn das Blut rausspritzt, ich lass nicht aus!, denke ich mir noch) kriege links die nächste kleine Leiste schreie nochmals und mit einem Schnapper nach rechts bekomme ich den guten Griff in die Hand…. Noch den dreckigen Schlurf rauf und AHHHHHHHHHHHHHHHHHHHH!! Wahnsinn!! Simon brüllt. Ich brülle vor Freude und kann es echt nicht glauben, was das für ein brutaler Kampf das gerade war. Echt abgefahren, was das Klettern nach all den Jahren immer wieder zu bieten hat. Es ist und bleibt einfach meine „erste große Liebe“. Was für ein Tag, nochdazu beide im Team befreit. Geiler gehts nicht. Danke Simon für die ständig geilen Vibes und die geile Zeit.

Fäcts

„Mission Impossible“, Erstbegangen 1995 durch Roman Kernmaier, Klaus Harasser
7a+, 7a+, 8b, 7b
1.Teamrotpunkt: Simon Berger, Guido Unterwurzacher 31.Oktober 2020