OMAN – Besuch in der Geisterhöhle

Mein guter alter Freund Alex Huber fragte mich schon vor einigen Jahren, ob wir nicht mal zusammen in den Oman reisen sollen, um in der Majlis al Jinn Höhle zu klettern. Die Höhle erlangte durch eine bekannte Filmproduktion mit Chris Sharma und Stefan Glowacz einiges an Aufmerksamkeit. Jedoch war es nach der Produktion beinahe unmöglich ein Permit zu bekommen, um in dieser riesigen Höhle klettern zu können. Aber wir hatten einen Ass im Ärmel, namens Jakob Oberhauser aka. Joggl. Joggl ist ein Bergführer und Abenteuerkletterer, zahlreiche Erstbegehungen im Oman gehen auf sein Konto, denn er verbringt den November und Dezember meist als Guide im Sultanat und wenn er mal nicht mit Touristen unterwegs ist, macht Joggl eine neue Linie nach der anderen.  Aber es sollte noch einiges an Zeit vergehen, bis wir schließlich im Flieger nach Muskat saßen.


„Wia schauts aus, mia ham a Permit für die Höhle!“ so die Huber´sche Whats App auf meinem Handy. Nach kurzem hin und her, dauerte es nicht lange und die Flüge waren gebucht. Zwei Wochen Oman. Jedoch war bis zum Schluß nicht klar, ob und wie lange wir ein Permit bekommen.

11.Dezember 2019

Ankunft in Muskat. Wir sind ziemlich erledigt. Wir beide haben kleine Kinder daheim und leiden seitdem an chronischem Schlafmangel 😉 Am Flughafen empfängt uns bereits ein braungebrannter und gut gelaunter Joggl. Er bringt uns ins Hotel und muss gleich weiter zum Ministerium um das Permit zu holen. Auch Joggl und sein kanadischer Kletterpartner Read Mc Adams wollen in der Höhle klettern und eine Erstbegehung machen. Alex und ich schlafen unseren Jetleg aus und wenig später treffen wir Joggl in der Hotel Lobby. „Ok Manda, mia hom a Permit, allerdings nur für zwoa Tog!“. Naja, besser als nichts denken wir uns. Danach geht’s nach Muskat zum Turkish Diwan. Wir sind uns einig, selten so guten Fisch gegessen.

12.Dezember

Irre schönes, sauberes und ruhiges Land. Wir fühlen uns auf Anhieb wohl und total sicher. Wir treten die 3 Stündige Abenteuer Reise über Schotterpisten zur Majlis al Jinn an. Es wäre keine richtige Jeepfahrt, wenn nicht die Straße gesperrt gewesen wäre, aber nach einer extra Stunde und einem Umweg erreichen wir die gigantische Hochebene. Wie am Mond. Ein kleines Dorf mit einigen Einwohnern, die sofort zur Stelle sind als wir unser Klettermaterial sortieren und eben das tiefe, dunkle Loch, wegen dem wir hier sind. Echt Abgefahren. Unser Safety Officer hat alles bestens im Blick und noch am selben Tag schweben wir 160 Meter freihängend in die Tiefe. Absolut beeindruckend. Sowas haben wir nicht erwartet, denn in Live ist die Höhle noch viel größer als sie auf den Bildern aussieht. Wir steigen in die „Into the Light“ Route ein. Bereits die ersten Seillängen weisen beste Kletterei auf, ziemlich steil und ziemlich schwer. Aber was solls, jetzt sind wir hier und wir wollen uns das ganze einfach mal anschauen. Wir kletterten bis zur Schlüsselseillänge, doch leider hatten wir nicht die passende Gerätschaft dabei um über den schweren Boulder Technisch drüber zu kommen. So mussten wir, um ehrlich zu sein, ziemlich enttäuscht abseilen. Wir haben im Vorfeld noch Infos über die Tour eingeholt, doch ein gewisses Detail haben sie uns leider nicht mitgeteilt, dass man nämlich als „Nicht Chris Sharma“ nur mit gewissen „Removable Geräten“ über die schwersten Passagen kommt. Es war bereits stockdunkel, kein Lüftchen regte sich in dem gigantischen Felsendom.

Als wir den sicheren Boden erreichten, mussten wir die 160m freihängend wieder nach oben jümarn. Nach ca. 40 min erreichten wir wieder die gute alte Welt, wo uns Joggl, Herwig, Bea, Read und Ola mit einem köstlichen Abendessen und einer Dose Bier überraschten.

13.Dezember

Wir seilen wieder in die Höhle. Joggl und Read wollen eine Erstbegehung machen am zweiten Ausgang. Alex und ich inspizierten mögliche neue, logische Linien ohne zuviel Bohraufwand, denn wir haben gesamt nur 14 Bohrhaken dabei. Schnell war uns jedoch klar, dass der Großteil des Fels in der Höhle leider EXTREM brüchig ist. Schade. So fragten wir Joggl und Read ob wir hinter ihnen nachklettern dürfen. Nach 7 abenteuerlichen Seillängen bis 6c erreichen wir vier überglücklich den Ausgang der Höhle. „Out oft he Dark“, was für eine coole Route und was für ein Spaß mit den Jungs.

14.Dezember

Heute führt uns Joggl zur „Seventh Hole“ ein kompliziertes Höhlen und Tunnelsystem, in welchem er bereits vor einigen Jahren ein paar coole Erstbegehungen gemacht hat. Alex und ich inspizieren die Möglichkeiten, doch weder ist es die nicht immer gute Felsqualität die unsere Vorhaben limitiert. Dann finden wir aber doch noch eine Möglichkeit ohne zuviel Putzarbeit. Eine der abgefahrensten Routen die ich bis jetzt machen durfte und nach den ersten 5 dreckigen und brüchigen Metern war die Felsqualität 1A. Nach 4 Seillängen erreichen wir wieder die Oberfläche, mit einem echt breiten Grinsen im Gesicht, dass wir so eine schöne Abenteuer Route hinterlassen durften. „Tunnel Vision“ 7a, der Name ist hier Programm.

15.Dezember

Wir schlafen oberhalb vom Meer, nach einer nächtlichen Schwimmeinheit im Ozean, der übrigens warm war wie eine Badewanne und wohl einem Glas Whiskey zuviel, sind wir heute alle etwas neben der Spur. Wir fahren ins Wadi Tiwi, ein Paradies aus Palmen, Wänden und natürlichen Pools. Alex und ich gehen baden und schauen uns den Canyon nach potenziellen Linien an. Fazit, alleine da kann man die nächsten 50 Jahre Erstbegehungen machen. Eine Wand spricht uns aber besonders an. Laut Joggls Infos geht da noch nichts rauf und Read, Ola und er wollen am nächsten Tag auch eine neue Linie machen.

16. Dezember

Zusammen spazieren wir zur Wand. Bereits von weitem können wir die riesigen Lochstrukturen erkennen, die bereits einen genialen Klettertag versprechen. Am linken Teil der Wand finden wir ein logisches Verschneidungssystem. Bereits die ersten Meter sind bombenfest und nicht allzu schwer. So kommen wir zügig immer höher in dieser Traumwand, die in den Dolomiten wahrscheinlich schon mit 40 Linien überzogen wäre.

2 Seillängen hatten es jedoch in sich und waren fordernd und anspruchsvoll, jedoch nicht schwerer als 6c+. Das beste war aber, dass genau an jedem Standplatz ein richtiges Nest an Sanduhren wartete. Mittig durch die Headwall gings in abgefahrenster Kletterei durch die riesigen Löcher steil hinauf, dabei nie schwerer als 6b. Der absolute Hammer. Am Ausstieg angekommen konnte da Timing nicht besser sein. Joggl, Read und Ola sind gerade aus ihrer neuen Abenteuer Linie ausgestiegen und so brauchen wir uns über den Weg nach unten auch keine Gedanken mehr zu machen, denn Joggl war schon öfter hier. Nach 12 Abseilern erreichen wir den Boden. Unsere Neue Tour tauften wir auf den Namen „Wadi Racer“ 6c+, 450m.

17.Dezember

Verabschiedung von der Gruppe ist angesagt. Joggl muss arbeiten, so auch Herwig und Bea. Alex und ich wollen uns noch die Ecke um den riesigen Jebel Misht ansehen. Laut Joggl und Read ist die Felsqualität dort sogar noch besser als im Wadi Tiwi. Dann nichts wie hin. Nach 3,5h Fahrt erreichen wir das sehr abgelegene Dörfchen „Al Kumeira“, vielmehr sind es nur 3 Häuschen mit Schafhirten. Die Schotterpiste rauf haben wir mit Ach und Krach hinter uns gebracht, frei nach der Devise, „Don´t be gentle with the rental!“. Auf einem Sattel neben der Schotterpiste schlagen wir unser Lager auf. Alles was man hört ist das Blöcken der Schafe und vielleicht einmal am Tag einen Flieger. Sonst nichts. Absolute Stille. Dort oben ist man wirklich OFFLINE.

18.Dezember

Wir spazieren zum Einstieg der Wand, der sich als nicht ganz einfach erweist und müssen leider schnell feststellen, dass wir für die geplante Linie leider zuwenige Bolts dabei haben. Die Wand sieht sehr kompakt und geschlossen aus, jedoch ohne Bohrhaken kommen wir da leider nicht weit. So entschließen wir uns für Plan B. Weiter links sieht die Wand fast noch besser aus und wir sind uns einig, da wollen wir rauf. Wir klettern den leichteren Vorbau noch ungesichert, dann stehen wir vor der ersten Länge. Die Wand über uns ist beeindruckend groß und ständig versuchen wir die beste mögliche Linie aus zu kundschaften. Nach 3 leichteren Seillängen erreichen wir ein großes Band. Was für ein Platz. Wieder schauen wir uns die Möglichkeiten an. Wir wollen mit unseren restlichen 12 Bolts auskommen, also müssen wir der logischen und einfachsten Linie folgen. Ich klettere noch eine Seillänge weiter, ein steiler breiter Kamin der zum Offwidth wird und kurz unter dem Stand, sehe ich eine alte Bandschlinge. OK scheint als ob wir zumindest hier doch nicht die ersten sind. Wir seilen ab und spazieren zurück zu unserem Camp.

19.Dezember

Wir stehen wieder am Band. Die 2 alten Schlingen müssen von der logischen direkten Linie sein. Wir steigen wieder gleich ein und ziehen dann nach rechts raus wo die Wand steiler wird, aber alles lässt sich erstaunlich gut klettern, nicht allzu schwierig, jedoch teilweise ist es wirklich anspruchsvoll Friends unter zu bringen. Wir verwenden an den Standplätzen je einen Bolt. Nach oben hin werden die Längen dann doch immer anspruchsvoller, so brauchen wir in einer Seillänge auch noch einen Zwischenbohrhaken, um einen Sturz auf ein Band zu entschärfen. Eines ist uns nämlich klar, wenn uns hier was passiert haben wir ein Problem. Kein Netz, keine Rettung nichts. Wir sind auf uns gestellt. Deshalb klettern wir vorsichtig und umsichtig, die Felsoberfläche ist an Rauheit nicht zu überbieten, teilweise ist sie jedoch heimtückisch und kompakt erscheinende Leisten brechen nach wenig Belastung aus. Ein echtes Abenteuer eben und ich muss gestehen ich bin psychisch ganzschön angespannt, denn wir wissen ja immer noch nicht wie es oben weiter geht und zum biwakieren haben wir auch nichts dabei. Ich bin wieder an der Reihe. Alex hat in der Länge davor in gewohnter Manier vorgelegt und nicht lange gefackelt. Über uns ist nun eine wirklich abgefahrener steiler, rutschenförmiger Kamin. Erst noch recht easy und perfekt abzusichern, nach oben hin wird er immer schwerer. Der Überhang sieht abweisend aus und ich kann nicht sehen wie es drüber weiter geht. Ich stemme und und quetsche mich an den immer kleinerwerdenden Untergriffen nach außen, die letzte Sicherung ein solider Alien. Aus der ungemütlichen Position, verspreitzt mit den Beinen den Kopf unter dem Überhang, strecke ich mich so weit ich kann über die Dachlippe und meine rechte Hand tastet die Felsoberfläche ab. Als meine Finger plötzlich spürten, was ich da zum festhalten finde muss ich schon grinsen. Das gibt’s echt nicht. Genau an der richtigen Stelle befindet sich ein riesiger Henkel. Ich schwinge mich über den Überhang und stehe auch schon in den riesen Loch im Nohand. Ich schreie meine Erleichterung hinaus in die unwirkliche Mondlandschaft. Alex ist begeistert. So etwas geniales muss man echt erst finden. Die nächsten 3 Seillängen verlangen trotzdem noch volle Konzentration und fordern uns nochmals richtig, ehe wir endlich den flachen Gipfel erreichen. Wir bauen ein Steinmännchen, rollen uns eine Zigarette und genißen kurz den Augenblick, dann heißt es wieder volle Konzentration, denn die Abseilaktion könnte bei unserer Linenführung und all den Quergängen nochmal spannend werden. Neben den natürlichen Sanduhren zum Abseilen mussten wir noch 4 Bolts setzen um mit 2 60 Meter Seilen wieder runter zu kommen. Im letzten Licht erreichten wir unsere Rucksäcke. Ziemlich zerstört aber überglücklich kamen wir zu unseren Zelten zurück und genehmigten uns unsere Spezialkreation, Wraps mit Käse, Thunfisch und Sour Cream Chips. Allen Wiederholern dieser Abenteuerkletterei wünschen wir eine gute Reise, es war auch eine echt gute Reise und deshalb tauften wir unsere Linie am Jebal Kwar „Rihlat Saeida“ 6c, 600m.

Was für ein schöner Trip. Danke Alex, Joggl, Read, Ola, Herwig und Bea.

Guido